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Lourdes


Hypothesentest


Basiswissen


Der Wallfahrtsort Lourdes im Südwesten Frankreichs wird jedes Jahr von rund 3 Millionen Pilgern besucht[1]. Seitdem dort im Jahr 1858 eine Marienerscheinung stattgefunden haben soll, hat die katholische Kirche in Lourdes insgesamt 70 sogenannte Wunderheilungen anerkannt[2]. Hier werden Zahlenangaben zusammengetragen, um mit einem statistischen Hypothesentest abzuschätzen, ob die vermeintlichen Wunderheilungen in Lourdes nicht auch durch an sich stattfindende Spontanheilungen erklärt werden könnte.

Die Kriterien für eine Heilung


Die Kriterien zu Anerkennung eines Wunders werden von der katholischen Kirche festgelegt. Als notwendige Voraussetzungen einer Anerkennung gelten dabei "ein spiritueller Hintergrund" sowie eng definierte Kriterien einer Heilung[3]:

1) es muss sich um eine schwere Krankheit mit einer ungünstigen Prognose handeln
2) die Diagnose der Krankheit muss sicher und präzise sein
3) die Krankheit muss organisch sein
4) die Heilung darf nicht einer eventuellen Behandlung zugeschrieben werden
5) die Heilung muss plötzlich eingetreten sein
6) das Heilung muss vollständig und ohne Genesungszeit erfolgen
7) es handelt sich nicht um ein Nachlassen der Beschwerden, sondern um eine dauerhafte Heilung

Der übliche Vorang ist, dass eine Person, die an sich selbst eine Wunderheilung erkannt zu haben meint, meldet sich freiwillig beim "permanenten Arzt des medizinischen Büros". Ab dort werden dann die Angaben festgehalten und einer Prüfung unterzogen.

Beispiele für eine Wunderheilung



Ein Gedankenexperiment als erste Abschätzung


Im Jahr 2017 hatten von den rund 83 Millionen Einwohnern Deutschlands rund 4,65 Millionen Einwohner Krebs[10], das ist ein Anteil von rund 5,6 %. Angenommen, die vielleicht 3 Millionen Besucher Lourds in einem Jahr bestünden aus einem ganz normalen Querschnitt der Einwohner Deutschlands, dann wären unter den 3 Millionen Besuchern rund 168 tausend Personen (5,6 %) mit Krebs. Bei der einer angenommenen Rate von Spontanheilungen von Krebs von etwa 1 zu 60 tausend[7] hätte es unter diesen Besuchern Deutschlands alleine 3 Spontanheilungen bezüglich Krebs gegeben. Man kommt mit dieser ersten groben[11] Abschätzung zu einer Anzahl von Spontanheilungen, die in der Größenordnung oder sogar über den anerkannten Wunderheilungen liegt.

Die Wunderheilung im Sinn einer statistischen Abhängigkeit


Wenn die Wunderheilung auf den Einfluss göttlicher Kräfte zurückzuführen sind, so könnte sich das daran zeigen, dass der Anteil sponan, das heißt ohne Therapie als sinnvolle Ursache, geheilter Personen bei Besuchern von Lourdes größer ist als bei der sonstigen Bevölkerung. Die Wahrscheinlichkeit wäre dann bedingt, das heißt beeinflusst, von einer Fahrt nach Lourdes. Um eine solche statistische Abhängigkeit erkennen zu können, bräuchte man eine Abschätzung Anteil oder relativer Häufigkeiten:


Sollte der Anteil L über über dem Anteil S liegen, weist dies noch nicht zuverlässig auf einen ursächlichen, das heißt kausalen Zusammenhang hin, sondern lediglich auf eine statistische Abhängigkeit ↗

Die Wunderheilung als Hypothesentest


Geht man vorsichtig davon aus, dass es in Lourdes keine Wunderheilungen gibt, dann ist eine sinnvolle Nullhypothese[5], dass der Anteil von Spontanheilungen unter einer großen Gesamtbevölkerung, etwa aller Europäer, als empirische Wahrscheinlichkeit auch die Wahrscheinlichkeit für Wunderheilungen in Lourdes ist. Unter dieser Annahme kann man dann mit Hilfe einer sogenannten Binomialverteilung abschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit für 70 oder mehr Wunderheilungen bei der Gesamtzahl aller Lourdes-Fahrer von vielleicht 200 Millionen sein müsste. Siehe auch Hypothesentest ↗

Zahlen zu Spontanheilung



Fußnoten