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Stadtrecht


Kulturelle Evolution


Basiswissen


Als Stadtrecht bezeichnet man sowohl das Recht einer Siedlung, sich Stadt nennen zu dürfen[1], was im Mittelalter rund bis in die Neuzeit oft erhebliche rechtliche Privilegien mit sich brachte. Aber auch die spezielle Ausbildung des eigenen Rechtes einer Stadt sowie die damit verbundenen Rechtsorgane wurden so bezeichnet[2].

Der historische Rahmen der ersten Stadtrechte


Die ersten Stadtrechte im deutschsprachigen Raum stammen aus dem 11ten und 12 Jahrhundert nach Christus. Um ein Bild dieser Zeit vor Augen zu bekommen, kann man sich vorstellen, dass sich die Raubzüge der Wikinger langsam dem Ende neigen und westeuropäische Staaten mit den Kreuzzügen den Nahen Osten überfallen. Städte mit über 20 Tausend Einwohnern, etwa Köln galten als groß[8].

1.0 Stadtrechte regelten das Zusammenleben der Bürger in Städten. Das Recht galt nicht für alle Menschen gleich.

Zu dieser Zeit gab es verschiedene gegeneinander konkurrierende Rechte. Je nachdem zu welcher Gruppe eine Person zählte, galt für sie ein anderes Recht. Stadtbewohner mussten sich zum Beispiel keinem Gottesurteil stellen[10], Bauern durfte andere Waffen tragen als Ritter[11] und nur wer Grundbesitz hatte, konnte Bürgerrechte genießen. Es galt also keineswegs das Prinzip eines gleichen Rechtes für alle. Vor allem die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestimmte, welche Recht für eine Person galt.

Stadtrechte als Blaupausen für Städte


Kam es im Mittelalter zu einer Neugründung einer Stadt, so wählte die Stadt oft bewusst eines von mehreren möglichen Rechten aus. Weit verbreitet in Norddeutschland und im Gebiet des heutigen Polen, Russlands und des Baltikums war das Recht der Stadt Lübeck, das sogenannte lübische Recht. Im Süden des deutschsprachigen Raumes hingegen herrschte eher das Magdeburger Recht vor.

2.0 Es gab verschiedene gegeneinander konkurrierende Stadtrechte.

Da die Rechtsordnungen vor allem auch wirtschaftliche Dinge regelten, hatten sie mehr oder minder auch einen starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Städte. So erlaubte das lübische Recht etwa, die Verteilung eines Erbes auf mehrere Kinder[16]. Das führte aber dazu, dass Besitztümer verteilt und sich damit bei jedem Erbfall verkleinern konnten. Eine solche Realteilung von Erben führt zu ganz anderen wirtschaftlichen und sozialen Folgen als das sogenannte Anerbenrecht, bei dem ein Erbe fast in Gänze immer nur an eine Person weitergegeben wurde. Diese eine Beispiel soll andeuten, welche vielleicht enormen Auswirkungen konkrete Rechtsregelungen für die Entwicklung von Wirtschaftsräumen haben kann.

Stadtrechte als kulturelle DNA


In seinem Beststeller „Das egoistische Gen“ aus dem Jahr 1976 schlug der Zoologe Richard Dawkins vor, die Idee von Genen im Sinne von Erbmaterial auch auf kulturelle Abläufe zu übertragen[13]. Ein Mem ist eine Art Regelwerk für kulturelle Handlungen[14] und führt zu einer kulturellen Evolution[15]. Ein Ohrwurm der von vielen Personen nachgesungen wird, ist ein Mem. Eine erfolgreiche Werbung, die eine neue Haarmode auslöst oder auch etwa auch ein Motiv wie eine tödliche Probe können Meme sein[19].

3.0 Meme sind kulturelle Handlungen, die sich ähnlich wie Gene von Organismus zu Organismus verbreiten können.

Der Begriff des Mems macht aber keine klare Unterscheidung zwischen einer kodierten Informationen und dem dadurch bedingten Phänotypen eines Organismus. Ein Lied, das von vielen Menschen nachgeträllert wird, ist sozusagen gleichzeitig Genotyp wie auch Phänotyp. Näher an das biologische Vorbild eines echten Gens kommen da Gesetzestexte. Sie sind eindeutig ein Code. Das wird passend unterstrichen durch Worte wie Kodex (Gesetzeskörper) oder kodifzierung.

4.0 Gesetzestexte sind kodierte Meme. Sie kommen damit dem biologischen Vorbild von Genen näher.

Und während sowohl Meme wie auch Gene nur beschränkte Merkmale weitergeben, geben sowohl Gesetzeskörper wie ein Stadtrecht sowie auch die Gesamtheit der DNA ein Paket aufeinander abgestimmter Merkmale weiter. Auch Mutationen gab es bei der Weitergabe von Stadtrechten. So wurde etwa das braunschweigische Recht bei einer Übertragung auf eine neue Stadt oft mit sogenannten Willkürrechten ergänzt, das sind Sonderregelungen, die speziell auf eine besondere Stadt zugeschnitten waren. Über solchen Anpassungen kam auch die für jede Evolution notwendige Variation ins Spiel. Insofern eignen sich Gesetzeskörper wie etwa Stadtrechte als enges Analogon zu einer genetischen Kodierung. Siehe auch kulturelle DNA ↗

Quaestionens



Fußnoten


[12] Bürgerrechte konnten an Grundbesitz gebunden sein: "Nicht alle Stadtbewohner waren beispielsweise auch „Bürger“ im Rechtssinn: