Kulturelle DNA
Kulturelle Evolution
Basiswissen
Von einer kulturellen DNA spricht man oft, wenn es um „Identitätsmerkmale“ oder „unsichtbaren Qualitäten“ von Gruppen von Menschen geht[1]. So spricht man zum Beispiel von der kulturellen DNA erfolgreicher Unternehmen[2]. Dabei werden die genetischen Merkmale einer biologischen DNA meist nicht mit gemeint. Die Analogie bleibt oft im Floskelhaften[3]. Tatsächlich aber gibt es kulturelle Phänomene, die eine deutliche Nähe zum biologischen Vorbild aufweisen.
Die biologische DNA als Träger von Erbinformation
DNA steht für Desoxyribonukleinsäure, ein langes Molekül im Sinn der Chemie[4]. Innerhalb des Moleküls gibt es vier Grundbausteine, die sogenannten Nukleotide[5]. Die Abfolge diese vier Grundelemente kodiert dann die Erbinformation des Lebewesens. Größere sinntragende Abschnitte von Nukleotiden bezeichnet man als Gene. Über den Vorgang der sogenannten Genexpression wird aus der kodierten Erbinformation ein konkreten körperliches oder verhaltensmäßiges Merkmal des Lebewesens[6].
DNA ist die Erbinformation vieler biologischer Lebewesen. Sie besteht aus vier Grundbuchstaben, die sich zu größeren Genen zusammensetzen.
Wesentlich dafür, dass es überhaupt zu einer Evolution im Sinn der Biologie kommt, ist die Vermehrung von Individuen. Die DNA ist sozusagen der Bauplan, nach dem neu entstehende Lebewesen erzeugt werden. Dabei tritt die DNA meist oder immer in Verbindung mit bestimmten Besonderheiten bei der Bildung von neuen Organismen auf:
- a) Bei einer asexuellen Vermehrung (etwa Bakterien) entstehen mehr oder minder gute Kopien des Ursprungsorganismus.
- b) Bei einer sexuellen Vermehrung
- a) Es kommt zu zufälligen Änderungen der Erbinformation durch eine sogenannte Mutation ↗
Fußnoten
- [1] Im Zusammenhang mit Kultur soll DNA auf ein "eigenes Identitätsmerkmal" oder auf "eine unsichtbare Qualität in tief verborgenen Zellkernen" verweisen. Dabei unterstellen die Autoren, dass "ein inneres Programm, das mit Notwendigkeit immer gleich ablaufe, als wäre der Organismus ein Computer, dessen Software, einmal programmiert, immer dieselben Ergebnisse produziere". In: Johann Hinrich Claussen: Die DNA-Floskel. Von Täuschbegriffen und ihrer Bedeutung. In: Politik & Kultur 11/2023. Online: https://politikkultur.de/inland/die-dna-floskel/
- [2] "Was ist das Erfolgsgeheimnis nordischer Fintechs? Könnte eine gemeinsame kulturelle DNA der Schlüssel zum Erfolg sein?" So fragt ein Artikel in der Zeitschrift "Capital". Als Beispiel für eine Antwort wird das Vertrauen, etwa von Kunden in bargeldloses Bezahlen oder von Mitarbeiter in Entscheidungen der Firmenleitung genannt. In: Maries Moesgaard: Die kulturelle DNA der nordischen Fintechs. In: Capital. 11. Juni 2020. Online: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/die-kulturelle-dna-der-nordischen-fintechs
- [3] Gewarnt wird vor einer rein metaphorischen, floskelhaften Verwendung von DNA im Zusammenhang mit Kultur. Dazu einige Beispiele: "Da ist die Wissenschaftsministerin, die erklärt, sie wolle die »DNA der Wissenschaftsfreiheit« verteidigen." Oder wenn die Rede ist vom "Sportfunktionär" der von "»unserer Sieger-DNA«" spricht. Oder der Vorwurf, der "Patriarchalismus" sei die "»DNA der Bibel und des Christentums«". In: Johann Hinrich Claussen: -Die DNA-Floskel. Von Täuschbegriffen und ihrer Bedeutung. In: Politik & Kultur 11/2023. Online: https://politikkultur.de/inland/die-dna-floskel/
- [4] Neben der RNA ist die DNA eine von zwei Möglichkeiten, wie biologische Lebewesen ihre Erbinformation kodieren. Siehe auch DNA ↗
- [5] Bei einer RNA sind die vier Nukleotide Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil. Bei DNA sind es Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin. Siehe auch Nukleotide ↗
- [6] Die Genexpression übersetzt den genetischen Code, den Genotyp, in die Merkmale des lebenden Wesens, den Phänotyp. Siehe auch Genexpression ↗
- [7] "Memes are the smallest recognizable pieces of cultural information—the building blocks of ideas. Dawkins, who invented the term, argues that memes are independent replicators subject to mutation and natural selection closely analogous to genes. This note points out some of the consequences of this hypothesis by taking several well-known genetic phenomena and translating them into memetic language." In: John A. Ball: Memes as replicators. In: Ethology and Sociobiology. Volume 5, Issue 3. 1984. Dort die Seiten 145 bis 161. ISSN 0162-3095. DOI: https://doi.org/10.1016/0162-3095(84)90020-7.
- [8] Das Konzept der Meme blieb im Metaphorischen: "The works of Dawkins and of some other enthusiasts had contributed to a rise in popularity of the concept of memetics (“study of memes”), but the interest to this new field started to decline quite soon. The conceptual apparatus of memetics was based on a number of quasi-biological terms, but the emerging discipline failed to go beyond those initial metaphors." Ivan Fomin: Memes, genes, and signs: Semiotics in the conceptual interface of evolutionary biology and memetics. Semiotica. 2019. 327–340. 10.1515/sem-2018-0016. Online: https://www.researchgate.net/publication/334597888_Memes_genes_and_signs_Semiotics_in_the_conceptual_interface_of_evolutionary_biology_and_memetics