Wärmetod
Dystopischer Endzustand des Kosmos
Basiswissen
Der Wärmetod, seltener auch Kältetod, ist ein fiktiver aber denkbarer Endzustand des Universums: die Materie siecht in einer leblosen, breiigen Eintönigkeit gleichtemperierter Ereignislosigkeit daher. Die Grundidee ist, dass ohne Temperaturunterschied keine mechanische Arbeit mehr möglich ist, und damit auch kein sinnvolles Leben mehr. Dazu stehen hier historische Zitate.
Gedankengang hin zum Wärmetod
Bei jeder Energieumwandlung entsteht etwas mehr Wärmeenergie im Kosmos. Durch diesen Umstand gleichen sich Temperaturunterschiede im Kosmos immer mehr aus. Am Ende ist die Temperatur überall im Kosmos dieselbe. Diesen Zustand nennt man thermisches Gleichgewicht. Aus einem thermischen Gleichgewicht kann aber keine mechanische Energie mehr gewonnen werden. Für Leben in uns bekannter Form ist aber mechanische Energie (Arbeit) absolut notwendig. Fazit: der Kosmos strebt einem Zustand kompromissloser Lebensfeindlichkeit zu, dem Wärmetod.
Wärmetod in einem einem abgeschlossenen System
In einem abgeschlossenen System kann die Entropie gleich bleiben oder Zunehmen, aber nie abnehmen. Durch ständige makroskopische Prozesse nimmt die Entropie zu, wodurch sich das System dem thermischen Gleichgewicht annähert. Das thermische Gleichgewicht entspricht dem Wärmetod. Siehe auch thermisches Gleichgewicht ↗
Einwände gegen den Wärmetod
Abgeschlossen ist in der Physik ein System, dass keinerlei Wechselwirkung mit seiner Umwelt hat: weder Masse noch Energie gehen über die Systemgrenzen. Es ist heute unklar, ob der Kosmos in diesem Sinne ein abgeschlossenes System ist oder nicht. Siehe auch abgeschlossenes System ↗
William Thomson (1857)
Der englische Physiker William Thomson, der spätere Lord Kelvin, schrieb über den Prozess des sich ständig fortsetzenden Ausgleiches von Temperatur: "The result would inevitably be a state of universal rest and death, if the universe were finite and left to obey existing laws. But it is impossible to conceive a limit to the extent of matter in the universe; and therefore science points rather to an endless progress, through an endless space, of action involving the transformation of potential energy into palpable motion and hence into heat, than to a single finite mechanism, running down like a clock, and stopping for ever."[1]
Rudolf Clausius (1864)
"Man hört häufig sagen, in der Welt sei Alles Kreislauf Während an Einem Orte und zu Einer Zeit Veränderungen in Einem Sinne stattfinden, gehen an anderen Orten und zu anderen Zeiten auch Veränderungen im entgegengesetzten Sinne vor sich, so daß dieselben Zustände immer wiederkehren, und im Grossen und Ganzen der Zustand der Welt unverändert bleibe. Die Welt könne daher ewig in gleicher Weise fortbestehen ... Der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie widerspricht dieser Ansicht auf das Bestimmteste ... Man muß also schliessen, dass bei allen Naturerscheinungen der Gesammtwerth der Entropie immer nur zunehmen und nie abnehmen kann ... Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu. Je mehr die Welt sich diesem Grenzzustande, wo die Entropie ein Maximum ist, nähert, desto mehr nehmen die Veranlassungen zu weiteren Veränderungen ab, und wenn dieser Zustand endlich ganz erreicht wäre, so würden auch keine weiteren Veränderungen mehr vorkommen, und die Welt würde sich zu einem todten Beharrungszustande befinden."[2]
Emil du Bois-Reymond (1872)
Das folgende Zitat beschreibt den hypothetischen Laplaceschen Dämons, der die Zeit t in seiner Weltformel mit dem Wert unendlich einsetzen könnte: "Liesse er t im positiven Sinn unbegrenzt wachsen, so erführe er, ob Carnot's Satz erst nach unendlicher oder schon nach endlicher Zeit das Weltall mit eisigem Stillstande bedroht. Solchem Geiste wären die Haare auf unserem Haupte gezählt, und ohne sein Wissen fiele kein Sperling zur Erde. Ein vor- und rückwärts gewandter Prophet, wäre ihm, wie schon d'Alembert in der Einleitung zur Encyklopaedie, Laplace's Gedanken im Keime hegend, es ausdrückte, „das Weltganze nur „eine einzige Thatsache und Eine grosse Wahrheit.“[5]
Balfour und Tate (1875)
“The tendency of heat is towards equalisation; heat is par excellence the communist of our universe, and it will no doubt ultimately bring the system to an end.”[6]
Der Wärmetod als Ende des Lebens
Zwei schottische Autoren, Balfour und Tate, versuchten in einem 1875 herausgegeben Buch die physikalischen Erkenntnisse ihrer Zeit mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Zu der Zeit wurden die zwei Glaubenssysteme als zunehmend unvereinbar wahrgenommen. Balfour und Tate gingen ausführlich auf die Thermodynamik ein. Sie verbanden die Idee des thermodynamischen Wärmetods direkt mit den Lebensvorgängen: "… it is obvious that all the physical changes which take place, including those which are inseparably associated with the thoughts as well as the actions of living beings, are merely transformations of energy."[6, Seite]
"
Der Wärmetod als Teil der klassischen Physik
Als klassisch bezeichnet man die Physik wie sich bis etwa zur Jahrhundertwende um 1900 herausgebildet hatte. Man nahm an, dass alle Abläufe in der Welt letztendlich durch exakte mathematische Gesetze beschrieben werden können (Laplacescher Dämon). Die außerordentlich erfolgreichen Konzepte der Physik wurden dabei oft auf den gesamten Kosmos und alle Zeiten hin extrapoliert. So wurde aus einer erfoglreichen Methodik letztendlich ein Welbild. Was im 18ten Jahrhundert noch ein ketzerisches Programm war, schien um 1900 dann ein unumstößlicher Rahmen kosmischen Geschehens zu sein. Siehe dazu den Artikel Klassische Physik ↗
Eschatologien als kosmische kosmische Sinnfrage
Aussagen über den Endzustand des Lebens oder des Universums verbunden mit der Sinnfrage nennt man in der christlichen Theologie eine Eschatologie. Stellt man sich die Frage nach dem Sinn eines endlichen oder unendlichen Universmus, könnte man also in Anlehnung an die Theologie auch von kosmischen Eschatologien sprechen. Siehe dazu Eschatologien ↗
Fußnoten
- [1] William Thomson: On a Universal Tendency in Nature to the Dissipation of Mechanical Energy. Proceedings of the Royal Society of Edinburgh, 3. 1857. Seiten 139-142. doi:10.1017/S0370164600027541
- [2] Rudolf Clausius: Abhandlungen über die mechanische Wärmetheorie, 2 Bände, Vieweg 1864.
- [3] S. G. Brush: Der Wärmetod. In: Die Temperatur der Geschichte. Facetten der Physik. Band 24. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. 1987. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88803-7_5
- [4] John Bellamy Foster, Paul Burkett: Classcial Marxism and the Second Law of Thermodynamics: Marx/Engels, the
- [5] Emil du Bois-Reymond: Über die Grenzen des Naturerkennens. Ein Vortrag in der zweiten öffentlichen Sitzung der 45. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte. von Veit & Co., Leipzig 1872. S. 4 ff. Siehe mehr zu diesem Dämon unter Laplacescher Dämon ↗
- [6] Balfour Stewart and Peter Tait: The Unseen Universe. Or Physical Speculations on a Future State. Macmillan and Company. London. 1875.
- [7] Einen Ausweg sieht du Prel in einem ewigen kosmischen Kreislauf: "Es würde jenem Princip der Entwicklung , das uns zu so weit gehenden Folgerungen genöthigt hat , widersprechen , wenn wir das Schicksal jener Syſteme, die sich mit ihrer erkalteten Sonne wieder vereinigt haben , als ein definitiv abgeschlossenes ansehen wollten. Die Ansicht, daß die Entwicklung der Sternenwelt dahin ihren Abschluß finden werde, daß die todten Massen der Sonnen in gespensterhaftem Laufe durch das Weltall ziehen werden, um schließlich, vom Widerstande des Aethers besiegt, in Bewegungslosigkeit überzugehen oder mit einem stillstehenden Centralsysteme sich zu vereinigen, entspricht nicht mehr der heu tigen Wiſſenſchaft. Wenn wir vielmehr in unseren Rückschlüſſen auf die Vergangenheit des Kosmos selbst bei jenen Urnebeln nicht stehen bleiben können , aus welchen sich die Sternhaufen bilden, wenn wir diese Nebel selbst nur wiederum auffaffen können als das Produkt einer Vereinigung von Weltkörpern, deren Bewegung, in Licht und Wärme umgeseßt , eine Temperatur erzeugte , bei der die gesammte Materie in nebelige Zu ftände verflüchtigt wurde, aus welchen erst durch Verdichtung die Gasform und endlich die Ballung zu geschiedenen Sternen resul tirte, so werden wir dahin geführt, eine ferne Zukunft anzunehmen, in der die Vereinigung erstarrter Firsterne wiederum jene kos mischen Nebel erzeugen wird, von welchen wir ausgegangen find. Unwillkürlich werden wir hier an jene Kalpas erinnert , mit welchen die Buddhisten die nach Myriaden von Jahresmillionen zählenden Weltperioden bezeichnen , die in unendlicher Reihe durch jeweilige Vernichtung des Weltalls getrennt , einander folgen. Die Frage freilich , ob diese Kalpas so gedacht werden müssen, daß gleichzeitig die ganze Schöpfung im Zustande der Verödung weilt, oder nur Theile von ihr in räumlichem Neben einander mit anderen Theilen , für welche andere Phasen der Entwicklung anzunehmen wären, diese Frage zu erledigen, ist der Wissenschaft noch nicht gegeben." In: Karl Freiher du Prel: Der Kampf ums Dasein am Himmel: Die Darwin'sche Formel nachgewiesen in der Mechanik der Sternenwelt von Karl Freiherr du Prel. Denicke's Verlag. Berlin. 1874. 110 Seiten. Dort die Seite 97.