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Turing-Test


Philosophie


Basiswissen


Der englische Computer-Pionier Alan Turing schlug im Jahr 1950 vor, dass man nicht fragen sollte, ob Computer denken können, sondern lediglich, ob sie einen Intelligenztest bestehen können oder nicht. Dieser pragmatische Ansatz ist hier kurz vorgestellt.

Was will der Test entscheiden?


Turing beginnt seinen Gedankengang mit dem Vorschlag, dass man überlegen solle, ob Maschinen denken können. Doch er weist direkt darauf hin, dass die Wort Maschine und Denken schwer zu definieren seien. Um das Problem der Definition zu umgehen, schlägt er einen Test vor, das „imitation game“, in dem eine Maschine einen Menschen täuschen soll. Als Maschinen lässt er nur digital arbeitende elektronische Computer zu, etwa um künstich hergestellte biologische Menschen auszuschließen.

Turings imitation game mit Menschen


Das imitation game wird zunächst von drei echten Menschen gespielt: einem Mann (A), einer Frau (B) und einem Frager (interrogator), den Turing C nennt. C sitzt räumlich getrennt von A und B, kann sie also weder hören noch sehen oder sonstwie sinnlich wahrnehmen. Die Aufgabe von C ist es, alleine durch ausgetauschte Texte in Schreibmaschinenschrift A und B in Dialoge zu verstricken, die ihm am Ende sicher sagen, wer von den beiden der Mann und wer die Frau ist. Dabei ist es die Aufgabe des Mannes A, den Frager C zu täuschen. Der Mann muss also versuchen, dass C ihn irrtümlicherweise für eine Frau hält. Die Frau B hingegen darf C in jeder Weise helfen.

Turings imitation game mit Maschinen


Turing schlägt dann vor, dass der Mann A in dem imitation game durch eine Maschine ersetzt wird. Man fragt dann, ob der Frager C sich genauso oft falsch entscheidet wie bei dem Spiel mit den zwei echten Menschen. Diese Frage ersetzt dann, so Turing, die ursprüngliche Frage, ob Maschinen denken können (Can machines think?).

Captchas als Zwischenform des Turing-Tests


Um das Jahr 2020: unterweges im Internet musste man als auf Bildern einer Straßenkreuzung alle Bildelementemit Zebrastreifen oder Ampeln anklicken. Damit sollte man sich gegenüber einer Webseite als Mensch authentifizieren. Das englische Wort Captcha heißt ausgeschrieben: Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart. Der Sinn war, dass kleine Dialoge oder Tastenaktionen sicherstellen, dass keine Schadsoftware Dinge vollzieht, die nur ein Mensch tun sollte. Der zunehmende Schwierigkeitsgrad der Tests legt den Schluss nahe, das Schadprogrammen immer besser menschliches Verhalten simulieren können.

ChatGTP als turing-fähige Künstliche Intelligenz


Ende 2022 wurde der Plauderroboter (Chatbot) ChatGPT öffentlich zugänglich gemacht. Erstmals produzierte eine künstliche Intelligenz lange, in sich logisch aufgebaute Texte die ohne grammatische oder stilistische Fehler in vielen Sprachen verfügbar waren. In Israel wurde dann eine Art Turing-Test mit ChatGPT durchgeführt. Etwa 1,5 Millionen Spieler konnten online für zwei Minuten chatten. Manchmal war der Gesprächspartner ein Mensch, manchmal ein ChatGPT-bot. In nur 60 Prozent der Fälle konnten die Menschen den Chatbot korrekt erkennen. Damit, so argumentiert ein Fachartikel, wären die Menschen kaum besser gewesen als der Zufall. ChatGPT habe damit eine Art inoffiziellen Turing-Test bestanden[4]. Für einige Beispiele von ChatGPTs Fähigkeiten siehe den Artikel ChatGPT ↗

Was ist die philosophische Bedeutung?


Sollte es Maschinen gelingen, menschliche Dialogfähigkeiten so weit zu simulieren, dass sie statistisch nicht mehr signifikant (Hypothesentest) von echten Menschen unterschieden werden können, stellen sich zwei Fragen zum Bewusstsein: a) inwiefern ist Bewusstsein eine notwendige Bedingung für Intelligenz oder Leben, wenn Computerprogramme alle Effekte erfolgreich simulieren können? Und b) falls man a bejaht, muss man dann Maschinen ein Bewusstsein zugestehen? Lies mehr unter Bewusstsein ↗

Was ist die soziologische Bedeutung?


In dem Maße, wie Computersysteme einen Turing-Test bestehen, können wir sie immer weniger von Computern unterscheiden. Damit werden Computersysteme immer mehr zu ökonomischen Konkurrenten von Menschen. Wenn ein Computer im statistischen Mittel genauso gute Steuertipps geben kann wie ein menschlicher Steuerberater und gleichzeitig sehr viel billiger ist, dann werden auf lange Sicht die entsprechenden menschlichen Berufe wegfallen. Der Philosoph Nick Bostrom (Universität Oxford) sieht die Möglichkeit, dass Menschen dadurch letztendlich aus allen Einnahmequellen verdrängt werden könnten. Zur Abwendung eines solchen Szenarios müsste man vor allem marktwirtschaftlich Situationen abstellen, durch die Menschen von künstlichen Systemen verdrängt werden. Dieser Gedanke führt zur Idee einer Bostrom-Bremse ↗

Fußnoten