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Scholastik


Mittelalter


Basiswissen


Als Scholastik bezeichnet man die enge Synthese aus Philosophie und Theologie im Westeuropa des 11ten bis 14ten Jahrhunderts. Ein Ziel - nicht das einzige - war die Verbindung von Rationalität und christlichem Glauben. Stilprägend für die Scholastik war die Achtung streng logischer Schlussfolgerungen und präziser Wortdefinitionen. Sie erschöpfte sich seit 1350 zusehends in unlösbaren logischen Aporien. Hier stehen kurz einige Notizen dazu.

Ziel der Scholastik


Was wir heute Scholastik nennen beginnt in etwa mit der Zeit der Wikinger um 800 nach Christus und verlor sich etwa 600 Jahre später in anderen Denkströmungen. Ziel der Scholastik war die Verbindung christlicher Wahrheiten mit strenger Logik im Rahmen einer alles umfassenden Theologie, eine "systematische Darstellung der christlichen Glaubenswahrheiten. Der systematisch aufgebaute Gesamtbestand des scholastischen Wissens war die Summa, die alle philosophischen Disziplinen umfaßte […][5, Seite 1891]." Bei dieser Synthese von Glaube und Vernunft, soll der Glaube jedoch stets den Vorrang genossen haben[11][12].

Scholastik als abwertender Begriff


Wo man das Denken des Mittelalters als verengt auf fruchtlose theologische Gedanken betrachte, wurden Begriffe wie Scholastik, Scholastizismus und die Scholastiker selbst oft als Beispiel für nutzlos vergeudete Intellektualititär oder in Pedanterie erstarrten Formalismus verwendet[7]. So heißt es iin einem Lexikon aus dem Jahr 1837 über manche Scholastiker: "zum Theil geriethen sie aber auch auf Abwege, indem sie die gewonnene dialektische Bildung benutzten, um Spitzfindigkeiten zu erfinden und zu lösen, und um in öffentlichen Disputationen zu glänzen, ohne daß es ihnen mit der Erkenntniß ewiger Wahrheit ein würdiger Ernst war. Dadurch ist die Scholastik in den üblen Ruf lächerlicher und unnützer Sucht nach Spitzfindigkeiten gekommen[11]." Diese Sicht hält aber neueren Forschungen nur schwer stand.

Blütezeit der Scholastik


Die Scholastik wurde so gut wie ganz von Denkern der Kirche geprägt. Die übliche Sprache der Scholastiker war Latein. Zur Zeit der Kreuzzüge entstand ein befruchtender Austausch mit Islam und Judentum. Die Blütezeit der Scholastik war das 13te Jahrhundert. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Universitäten in Europa (Bologna, Paris). Als herausragendster Vertreter diese Zeit gilt Thomas von Aquin ↗

Ermüdung der Scholastik


Über die Jahrhunderte zeigte sich eine gewisse Ermüdung in dem Ziel, die christlich verstandene Welt strikt logisch herzuleiten. Gottesbeweise überzeugten nicht jeden, vieles in der Welt ließ sich auch ohne Glauben verstehen. Zunehmend mehr Denker wandten sich der Naturbeobachtung als Erkenntnisquelle zu. Herausragende Namen hier sind hier Roger Bacon (Oxford), Johannnes Buridan (Paris) und Albertus Magnus [Köln] ↗

Die Scholastik und der Empirismus


Die Philosophie der späteren Scholastik war star von den Werken des antiken griechischen Philosophen Aristoteles geprägt. Aristoteles kann als Empiriker bezeichnet werden, ihm zufolge beruht jede Kenntnis über die Natur auf Sinnesbeobachtungen. Die Scholastiker waren dennoch keine Empiriker im heutigen Sinn. Sie führten kaum eigene Versuche oder Beobachtungen zur Überprüfung von Aussagen an. Eher zitierten sie Beobachtungen aus lateinischen, griechischen oder arabischen Quellen. Doch ab dem 13ten Jahrhundert mehrten sich die Stimmten, die der Naturbeobachtung mehr Bedeutung zumaßen. Dazu gehörte unter anderem der Engländer Roger Bacon ↗

Das Erbe der Scholastik


Im Jahr 1879 genossen die Naturwissenschaften höchstes Ansehen. Praktische Erfolge wie die Dampfmaschine, elektrisches Licht, Telegraphen und vieles mehr legten nahe, dass die Erkenntnismethoden der Naturwissenschaft von überlegener Stärke sind. Solch einer Haltung widersprach der Papst in einer längeren Schrift. Darin würdigt er ausdrücklich die Scholastik als höchste Stufe menschlicher Erkenntnis - auch über die Naturwissenschaften. Die Enzyklika ist noch heute (2020) gültig. Mehr dazu unter Aeterni patris ↗

Was ging mit dem Ende Scholastik verloren?


Zwei Dinge gingen mit dem Ende der Scholastik verloren: a) der Anspruch, eine philosophisch umfassende, abschließende und sinngebende Weltanschauung zu formulieren: im Kern geht es um das, was man Sinn nennt, sowie b) eine reiche Begriffswelt[8].

In der Scholastik war die Quelle von Sinn Gott und die Beziehung des Menschen zu ihm. Zu Gott führten nicht nur alle Fragen nach einem Warum, sondern auch alle Fragen nach einem Wozu. Wozu lebt der Mensch? Um auf der Erde gottgefällig zu leben, um Gott zu finden, um sein Seelenheil zu sichern. Der Anspruch, auf die Frage nach dem Wozu des Lebens eine stimmige und philosophisch umfassende Antwort zu bekommen, ist mit der Scholastik verloren gegangen. Wo die Scholastik durch die modernen Naturwissenschaften ersetzt wurde, verkürzte sich die Frage nach dem Warum und dem Wozu auf die Frage nach dem Wie. Newtons Mechanik, Einsteins Relativitätstheorie und die Quantenphysik beschreiben, wie vieles in der Welt abläuft, aber sie erheben keinen Anspurch zu erklären, warum oder wozu die Welt erschaffen wurde. Das wird oft verkannt.

Auf dem Buchrücken eines Bestsellers zur Kosmologie steht eine Empfehlung des Zeit-Magazins: "Der Physiker Stephen Hawking ist im Begriff, die Formel zu finden, die das Universum erklärt.[5]" Hawking gibt in dem Buch keinen Hinweis dazu, warum die Welt erschaffen sein könnte oder wozu. Trotzdem empfiehlt das Zeit-Magazin das Buch als eine mögliche Erklärung der Welt. Das ist symptomatisch für viele Fälle. Wenn aber jemand schreibt, dass die Wissenschaft die Welt erklären könne oder solle, so geht damit der Verzicht auf Grund und Ziel stillschweigend einher. Die Frage nach dem Grund und Ziel eine Welt, war wesentlich für die Scholastik (und galt mit Gott als beantwortetr), ist aber verloren gegangen, wo die moderne Naturwissenschaft als oberste Welterklärung angesehen wird. Siehe dazu auch den Artikel zur Frage nach einem Sinn ↗

Fußnoten