R


Goethes Mathematikverständnis


Der Verfasser kann sich keiner Kultur von dieser Seite rühmen…


Basiswissen


so gesteht Goethe, wohl zu Recht, seine Unkenntnis der Mathematik ein. Man findet in Goethes Werken keine nennenswerten Gleichungen, keine Formeln, keinen Sinus oder Tangens. In seiner Farbenlehre schreibt Goethe:

"722. Man kann von dem Physiker, welcher die Naturlehre in ihrem ganzen Umfange behandeln will, verlangen, daß er Mathematiker sei. In den mittleren Zeiten war die Mathematik das vorzüglichste unter den Organen, durch welche man sich der Geheimnisse der Natur zu bemächtigen hoffte; und noch ist in gewissen Teilen der Naturlehre die Meßkunst, wie billig, herrschend."

"723. Der Verfasser kann sich keiner Kultur von dieser Seite rühmen, und verweilt auch deshalb nur in den von der Meßkunst unabhängigen Regionen, die sich in der neuern Zeit weit und breit aufgetan haben."

"724. Wer bekennt nicht, daß die Mathematik, als eins der herrlichsten menschlichen Organe, der Physik von einer Seite sehr vieles genutzt, daß sie aber durch falsche Anwendung ihrer Behandlungsweise dieser Wissenschaft gar manches geschadet, läßt sich auch nicht wohl leugnen, und man findet's hier und da, notdürftig, eingestanden."

"725. Die Farbenlehre besonders hat sehr viel gelitten, und ihre Fortschritte sind äußerst gehindert worden, daß man sie mit der übrigen Optik, welche der Meßkunst nicht entbehren kann, vermengte, da sie doch eigentlich von jeder ganz abgesondert betrachtetwerden kann."

"726. Dazu kam noch das Übel, daß ein großer Mathematiker [Goethe meint hier Newton] über den physischen Ursprung der Farben eine ganz falsche Vorstellung bei sich festsetzte und durch seine großen Verdienste als Meßkünstler die Fehler, die er als Naturforscher begangen, vor einer in Vorurteilen stets befangenen Welt auf lange Zeit sanktionierte."

Quelle: Goethes Farbenlehre, Didaktischer Teil, Paragraphen 722 bis 726.