Streuung (Physik)
Optik
Definition
Als Streuung bezeichnet man in der Physik die Richtungsänderung sich bewegender Teilchenströme oder Wellen als Folge einer Wechselwirkung mit Materie[1]. Streuung ist dabei ein Überbebegriff[3], der die Phänome Reflexion[7], Brechung[8] und Beugung[9] mit einschließt. Individuelle Teilchen prallen dabei nicht notwendigerweise ab, sondern werden nach einer Absorption oft neu ausgesandt[12].
Klassische Beispiele von Streuung
- Photon an quasi-freiem Elektron, wenig Energie, Energie aber kein Impuls werden übertragen Thomson-Streuung ↗
- Photon an quasi-freiem Elektron, hohe Energie, Energie und Impuls werden übertragen Compton-Streuung ↗
- Photon an gebundenem Elektron, es wird keine Energie übertragen Rayleigh-Streuung ↗
- Photon an kleinstem Festkörper, atmosphärischer Dunst Mie-Streuung ↗
- Geladene Teilchen an Atomkern Rutherford-Streuung ↗
- Weitere Beispiele stehen unter Streuungsarten ↗
Streuung als Wechselwirkung mit einem Streuzentrum
Als Streuung bezeichnet man ganz allgemein die Richtungsänderung[5] von Strömen von Teilchen oder Wellen infolge einer Wechselwirkung mit einem materiellen Streuzentrum[1]. Wenn zum Beispiel blaue Photonen (Lichtteilchen) von der Sonne auf Moleküle der Erdatmosphäre treffen, dann fliegen sie nach der Wechselwirkung in einer zufälligen Richtung weiter. Das Molekül war dann das Streuzentrum. Nach dieser Definition kann man Streuung zum Beispiel auf einzelne Photonen anwenden, die an eine einzelnen Objekt gestreut werden[11]. Bei der Mie-Streuung wird Licht an kleinen Staubteilchen oder Wassertröpfchen gestreut. Bei der Compton-Streuung wird ein Photon an einem freuen Elektron gestreut. Wird ein Photon an einem gebundenen Elektron gestreut spricht man von Rayleigh-Streuung ↗
Streuung als Wechselwirkung mit vielen Streuzentren
Wird ein Lichtteilchen an einem Streuzentrum gestreut, so ändert es seine Richtung dabei in oft zufälliger Weise, ohne dass es dabei bevorzugte Richtungen geben muss, in die es nach der Wechselwirkung weiter fliegt. Das kann sich drastisch ändern, wenn es mehrere Streuzentren gibt, insbesondere dann, wenn die Streuzentren geometrisch regelmäßig angeordnet sind. Dabei durchwandet das Lichtteilchen aber nicht etwas nacheinander die verschiedenen Streuzentren. Vielmehr gelten die Gesetze der Quantenphysik. Je nach Formulierung "spürt" das Lichtteilchen dann die Gegenwart und Lage aller Streuzentren gleichzeitig. Die Wechselwirkung des Lichtteilchens mit den Streuzentren ist nicht mehr lokal (nur vor Ort) sondern global oder holistisch (ganze Umgebung gleichzeitig). Reflexion, Brechung und Beugung lassen sich so alle aus dem Prinzip der Streuung herleiten[10]. Sie sind also keine eigenständigen Wirkprinzipien sondern eher ineinander übergehende Erscheinungsformen des Prinzip Streuung.
- Glatte Grenze zwischen streuenden und nicht streuenden Teilchen[7] Reflexion ↗
- Glatte Grenze zwischen Teilchen unterschiedlicher Lichtgeschwindigkeit[8] Brechung ↗
Streuung muss kein bloßes Abprallen sein
Man darf sich die Streuung individueller Teilchen an einem Streuzentrum nicht zwangsläufig wie ein einfaches Abprallen vorstellen. Eine Streuung kann auch bedeuten, dass ein Teilchen, etwa ein Neutron, in einen Atomkern gelangt, dort zu einem Proton wird während gleichzeitig ein Proton zu einem Neutron wird und vom Atomkern ausgestoßen wird[12].
Was ist der Unterschied zu einem Stoß
Von einem Stoß im Sinn der Physik spricht man, wenn zwei Teilchen sich berühren und dadurch ihre Bewegungsrichtung und/oder ihre Bewegungsgeschwindigkeit ändern. Diese Berührung ist bei einer Streuung nicht nötig. Hier kann die die gegenseitige Beeinflussung der gedachten Teilchen über Kraftfelder erfolgen. Im Sinne einer Streuung betrachtet man meist mikroskopisch kleine Teilchen wie etwa Elektronen an Atomen. Kollidieren makroskopische Objekte, wie die klassischen Billardugeln, verwendet man meist das Modell von einem Stoß ↗
Fußnoten
- [1] Das Spektrum Lexikon der Physik (2000), definiert Streuung als "Ablenkung eines Teiles einer gebündelten Teilchen- oder Wellenstrahlung aus seiner ursprünglichen Richtung beim Durchgang durch Materie infolge der Wechselwirkung mit einem Streuzentrum." In: Spektrum Lexikon der Physik in sechs Bänden. Spektrum Akademischer Verlag. 1998-2000. ISBN: 3860252917. Dort der Artikel zur Streuung. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/physik/streuung/14050
- [2] 1905, Streuung in der Ballistik: "Streuung, beim Schießen die Fläche, auf die sich alle mit demselben Visier und Haltepunkt abgegebenen Schüsse infolge der Unvollkommenheiten der Waffe und des Schützen sowie der Witterungsverhältnisse verteilen (Streuungsfläche, Trefferbild). Von der S. hängt die Möglichkeit ab, ein Ziel in kurzer Zeit unter vernichtendes Feuer nehmen zu können; s. auch Abweichung, Flugbahn, Geschoßgarbe." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 119. Online: http://www.zeno.org/nid/20007536933
- [3] Streuung (englisch: scattering) als Überbegriff: "Suspended particles scatter light by a combination of three processes: reflection, refraction, and diffraction." In: D. G. Bowers: Optical techniques in studying suspended sediments, turbulence and mixing in marine environments. In: Subsea Optics and Imaging (Buch). Herausgegeben von John Watson and Oliver Zielinski. 2013.
- [4] In der Statistik steht Streuung für die "Verteilung von einzelnen Werten um den Mittelwert. Die Werte 10, 20 und 30 sowie die Werte 19, 20 und 21 haben zwar den gleichen Mittelwert 20, sind aber unterschiedlich um ihn herum verteilt. Liegen die Daten sehr dicht am Mittelwert, spricht man von einer schwachen Streuung, liegen sie weit entfernt um ihn, dann von einer starken Streuung." In: Statista. Lexikonartikel zur Streuung. Abgerufen am 22. Dezember 2023. Online: https://de.statista.com/statistik/lexikon/definition/129/streuung
- [5] Streuung im Teilchenbild, eher Einzelereignis: "Im Teilchenbild stellt sich die Streuung als Richtungsänderung eines im Strahl fliegenden Teilchens um den Streuwinkel nach der Wechselwirkung mit dem Streuzentrum dar, wobei die Einzelstreuung vieler Strahlteilchen eine gewisse Winkelverteilung der gestreuten Teilchen liefert (Wirkungsquerschnitt)." In: Spektrum Lexikon der Physik in sechs Bänden. Spektrum Akademischer Verlag. 1998-2000. ISBN: 3860252917. Dort der Artikel zur Streuung.
- [6] Streuung im Wellenbild, eher Einzelereignis: "Im Wellenbild dagegen ist die Einzelstreuung als eine Streuwelle bzw. eine inhomogene Kugelwelle mit in jeder Richtung bestimmter Amplitude (Streuamplitude) aufzufassen, die durch die den Strahl bildende ebene Welle beim Überstreichen des Streuzentrums von eben diesem ausgeht. In diesem Fall wird die Winkelverteilung der Streuung sichtbar durch die Intensitätsverteilung der Streuwelle in den verschiedenen Richtungen." In: Spektrum Lexikon der Physik in sechs Bänden. Spektrum Akademischer Verlag. 1998-2000. ISBN: 3860252917. Dort der Artikel zur Streuung.
- [7] Streuung schließt Reflexion mit ein: "As a matter of fact, to the authors knowledge, there is no consolidated concern in the literature about the nature of the RIS as a scatterer or as a mirror. In fact, although most works seem to use both terms interchangeably, the conventional view has been through their characterization as scatterers." RIS steht für reconfigurable intelligent surfaces. In: J. C. B. Garcia, A. Sibille and M. Kamoun, "Reconfigurable Intelligent Surfaces: Bridging the Gap Between Scattering and Reflection," in IEEE Journal on Selected Areas in Communications, vol. 38, no. 11, pp. 2538-2547, Nov. 2020, doi: 10.1109/JSAC.2020.3007037.
- [8] Streuung schließt Brechung (refraction) mit ein: "Refraction occurs when a large number of dipoles scatter coherently. Each individual dipole scatters light in response to the incident radiation in (almost) all directions, but when you have a large collection of scatterers, each one scattering in many directions, you have to sum the contributions of each one in order to arrive at the total field. Each contribution interferes with every other contribution. hen you do this at an abrupt interface, the result is reflection and refraction (and cancellation of the incident light, ala the Ewald-Oseen thm). So the main difference is that scattering generally refers to small scatterers (having a size on the order of the wavelength), and refraction requires a large number of scatterers, and a clean interface." In: StackExchange. Physics. 4. April 2016. Online: https://physics.stackexchange.com/questions/247342/difference-between-scattering-and-refraction
- [9] Streuung schließt Beugung (diffraction) mit ein: "diffraction is the spreading of waves but demonstrates that all diffraction patterns are the result of scattering." In: Matthew J. Berg, Christopher M. Sorensen: A review and reassessment of diffraction, scattering, and shadows in electrodynamics. In: Journal of Quantitative Spectroscopy and Radiative Transfer. Volume 210, May 2018, Pages 225-239. Online: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0022407317308191
- [10] Dass alle optischen Phänomene (und viele weitere) letztendlich mit einer einheitlichen Theorie mit Streuung als einem fundamentalen Prozess beschriebenen werden können ist die Kernaussage der sogenannten Quantenelektrodynamik: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Siehe auch QED (Feynman) ↗
- [11] Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) beschränkte die Streuung auf die Wechselwirkung eines Photons mit einem Elektron: "Wenden wir uns einem […] Prozeß zu, der mit einem Photon und einem Elektron beginnt und mit einem Photon und einem Elektron endet. Zum einen kann dieser Prozeß folgendermaßen ablaufen: Ein Photon wird von einem Elektron absorbiert, das Elektron setzt seinen Weg noch ein Stück fort, und emittiert dann ein neues Photon. Dieser Vorgang ist uns als Streuung des Lichts bekannt." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort die Seite 114. Siehe auch Lichtstreuung ↗
- [12] Streuung ist kein bloßes "Abprallen" sondern ein "Geschluckt-Werden" mit anschließender Aussendung eines neuen Teilchens: "Now the scattering (elastic or inelastic) of a neutron by a nucleus can be considered as the result of the following double process: the neutron falls into a proton level in the nucleus and a proton in the latter jumps to a neutron state of positive kinetic energy, the total energy being conserved throughout the process." In: Hideki Yukawa: On the Interaction of Elementary Particles. In: Proc. Phys.-Math. Soc. Japan 17, 48-57 (1935). Online: https://www.jstage.jst.go.jp/article/ppmsj1919/17/0/17_0_48/_pdf/-char/en