Rechnerische Irreduzibilität
Mathematische Philosophie
Grundidee
Ein Prozess ist rechnerisch irreduzibel[1], wenn zukünftige Zustände nur dadurch vorhergesagt werden können, indem man jeden einzelnen Zwischenschritt vorausberechnet. Es gibt also keine abkkürzende Formel[2]. Als Beispiel werden oft sogenannte Zellularautomaten beschrieben[3] aber auch das menschliche Gehirn genannt[5]. Wolframs Konzept der Irreduziblität deckt sich mit der Idee der nicht-Berechenbarkeit von Roger Penrose[5]. Siehe auch Berechenbarkeit ↗
Fußnoten
- [1] Stephen Wolfram (geboren 1959) geht davon aus, dass sich verändernde Systeme so etwas wie Rechenleistung benötigen, um die jeweils nächsten Schritte ihrer zeitlichen Entwicklung zu bestimmen. Wenn es keinen Rechenweg gibt, der mit weniger Rechenaufwand als das betrachtete System auskommt, ist das System rechnerisch irreduzibel. Auf Englisch: "Ability to predict the behavior of a system more efficiently than by explicitly running the computation associated with the evolution of the system. Traditional methods of analysis rely on computational reducibility." In: Wolfram Physics Project. Abgerufen am 11. März 2024. Online: https://www.wolframphysics.org/glossary/
- [2] Die meisten wissenschaftlichen Formeln zielen darauf ab, den Rechenaufwand zu verringern, den man für Vorhersagen benötigt: "When viewed in computational terms most of the great historical triumphs of theoretical science turn out to be remarkably similar in their basic character. For at some level almost all of them are based on finding ways to reduce the amount of comutational work that has to be done in order to predict how some particular system will behave. Most of the time the idea is to derive a mathematical formula that allows one to determine what the outcome of the evolution of the system will be without explictly having to trace its steps." In: Stephen Wolfram: A New Kind of Science. Wolfram Media Inc. 2002. ISBN: 1-57955-008-8. Dort im Kapitel "Computational Irreducability" auf Seite 737. Die Idee, dass die Wirklichkeit selbst so etwas wie Rechenleistung benötigen könnte, klingt bereits in einem Konzept des Computerpioniers Conrad Zuse (1910 bis 1992) an. Siehe dazu rechnender Raum ↗
- [3] Zellularautomaten sind sehr einfach programmierbare Simulationen an denen viele Phänome von Chaos und Komplexität betrachtet werden können: "Indeed, whenever computational irreducibility exists in a system it means that in effect there can be no way to predict how the system will behave except by going through almost as many steps of computation as the evolution of the system itself." In: Stephen Wolfram: A New Kind of Science. Wolfram Media Inc. 2002. ISBN: 1-57955-008-8. Dort im Kapitel "Computational Irreducability" auf Seite 739.
- [4] Der Mathematiker Roger Penrose definiert Berechenbarkeit in Anlehnung an Alan Turing: "Die Zahlen, die sich mit Turing-Maschinen berechnen lassen, heißen berechenbar. Die anderen (sie stellen die weitaus überwiegende Mehrheit!) nennt man nicht-berechenbar." In: Roger Penrose: Computerdenken. Des Kaisers neue Kleider oder Die Debatte um Künstliche Intelligenz, Bewusstsein und die Gesetze der Natur. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1991, ISBN 3-89330-708-7. Dort die Seite 48. Siehe auch Computerdenken ↗
- [5] Dass alle Prozesse des menschlichen Gehirn rechnerisch reduzibel sind, nämlich durch einen sogar einfachen Algorithmus nachgestellt werden könnten vermuten einige Wissenschaftler im Zusammenhang mit der Entwicklung eines sogenannten Exokortex: "There seems to be a relatively unified cortical algorithm which is capable of processing different types of information. Most, if not all, of the information processing in the brain of any given individual is carried out using variations of this basic algorithm. Therefore we do not need to study hundreds of different types of cortical algorithms before we can create the first version of an exocortex." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios. In: International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. 2012.DOI: doi:10.1142/S1793843012400173. Siehe auch Exokortex [Umsetzung] ↗